Selbst Mitgefühl – nice to have oder lebenswichtig?

Mittlerweile wissen wir es alle - chronischer Stress hat sehr negative Auswirkungen auf unser körperliches und psychisches Wohlbefinden und spielt bei fast allen sog. Zivilisationskrankheiten eine Rolle.

Trotzdem überhören wir die Frühwarnsignale unseres Körpers häufig und merken erst, dass es zu viel ist, wenn wir körperliche Beschwerden haben, oder uns emotional erschöpft oder sogar ausgebrannt fühlen.

In unserer wettbewerbs- und leistungsorientierten Welt neigen wir dazu, sehr hart mit uns selbst umzugehen und sehr perfektionistisch zu sein. Viele von uns denken, dass wir hart sein müssen mit uns selbst, um etwas zu erreichen. «Was mich nicht umbringt macht mich stark» oder so ähnlich. Der innere Kritiker, der uns anfeuert, noch mehr zu arbeiten, um doch vielleicht irgendwann «perfekt» oder «richtig» zu sein, wird besonders laut, wenn wir gestresst sind.

Desto unversöhnlicher wir mit uns selbst umgehen, desto härter urteilen wir meist auch über andere.

Um an unseren Fehlern wachsen zu können, die Verantwortung für unsere Handlungen zu übernehmen, und uns ehrlich entschuldigen zu können, müssen wir allerdings akzeptieren, dass wir nicht perfekt sind und auch das Leben nicht perfekt ist. Stress und Versagen sind Teil unsers Lebens! Kinder haben Wutanfälle, Lebenspartner kommen zu spät, so dass wir nicht pünktlich zur Yoga Stunde kommen, Kollegen haben andere Meinungen, Viren verbreiten sich, Menschen, deren Meinung wir nicht teilen, werden Chefs oder Präsidenten, wir machen Fehler, und manchmal bekommen wir es nicht mal halb-perfekt hin auch wenn wir uns noch so bemühen.

Die Voraussetzung, um sich unangenehmen Emotionen, wie Scham, Enttäuschung, Erschöpfung, u.ä.  konstruktiv nähern zu können ist inneres Mitgefühl. Pema Chödrön nennt es eine bedingungslose Freundschaft mit sich selbst. Inneres Mitgefühl - im Gegensatz zu Selbstkritik, die uns oft in Scham und Frustration gefangen hält - motiviert uns letztlich dazu, unser Bestes zu geben. (Christin Neff  2019).

Diese Selbstliebe beinhaltet auch, dass wir unseren Ego mit der Zeit nicht mehr so ernst nehmen. Wir dürfen einfach sein, mit unseren Stärken und Schwächen.  Es geht nicht so sehr darum, ein besserer Mensch zu werden, sondern darum, dieses Leben bewusst – gewahr- zu erleben mit all seinen Höhen und Tiefen und uns immer wieder mit dem zu verbinden, was uns wirklich wichtig ist: unseren Werten, unserer Intention, und letztlich dem was unserem Leben Sinn gibt.