Willenskraft

Verhaltensänderung braucht Willenskraft. Willenskraft wird von Kelly McGonigal in ihrem Buch «Willpower» definiert als: the ability to do what really matters, even when it’s difficult.» Die Fähigkeit das zu tun, was wirklich wichtig ist, auch wenn es schwierig ist. (McGonigal, 2013, S. 34).

Willenskraft hat drei Aspekte: «Ich werde», also die Fähigkeit etwas zu tun. «Ich werde nicht», das heisst. die Fähigkeit zu widerstehen und «Ich will», sich ein positives Ziel zu setzten. (McGonigal, 2013, S. 28)

Willenskraft braucht «Kraft». Wenn wir in der inneren «Kraft» sind, können wir in einem inneren Interessenkonflikt (z.B. Lust auf Schoki versus Zucker einschränken) einen Moment innehalten, uns auf unsere langfristigen Ziele ausrichten und – wenn nötig – Impulse unterdrücken, Gewohnheiten hinterfragen und womöglich anderes und neu handeln. McGonigal nennt dieses den «Pause and Plan» Modus. Interessanterweise hat sich herausgestellt, dass dieser Modus mit hoher Herz Frequenz Variabilität (HRV) - einem etablierten Indikator für das Funktionieren des vegetativen Nervensystems und für allgemeine Gesundheit -  korreliert.

Wenn wir hingegen erschöpft und «Kraft-los» sind, fehlt uns meistens auch die Willens-Kraft zu widerstehen oder etwas gegen die Stimme unsers «inneren Schweinehunds», unsere Bequemlichkeit oder unsere Gewohnheiten zu tun. Das Extrembeispiel ist der Stress Modus «fight or flight». Unter Druck und Stress reagieren wir impulsiv und automatisch – und verfolgen damit häufig Gewohnheitsmuster und kurzfristige Ziele, wie: ich brauch jetzt etwas Süsses, weil ich unterzuckert bin. Schwankungen des Blutzuckers, Müdigkeit und Stress haben sich daher als grösste «Feinde der Willenskraft» erwiesen. «The biggest  enemies if willpower are temptation, self-critizism and stress». (McGonigal, 2013, S. 234)

Wir können hingegen unsere Willskraft stärken indem wir unsere Achtsamkeit, und unsere Selbstreflektion stärken und uns immer wieder mit dem verbinden, was uns wirklich wichtig ist: The foundations of self-control are: «self-awareness, self-care and remembering what matters most». (McGonigal, 2013, S. 234) 

Wir können unsere Willenskraft aktiv durch verschiedene Lebensstil-Massnahmen – wie sie im Women’s Wellness Kurs besprochen werden - wie ausreichend erholsamen Schlaf, Stress Management und Ernährung mit einem niedrigen glykämischen Index, um  Blutzuckerspitzen zu vermeiden  - stärken und fördern.

Willenskraft kann auch geübt werden, indem wir mit kleinen Schritten im Alltag beginnen (erinnere Dich an tiny habits). z.B. können wir üben eine Kleinigkeit zu tun, die wir tun möchten (z.B. 5 Minuten um den Block gehen) oder nicht zu tun (z.B. nicht «Scheisse» sagen), die wir nicht tun möchten.

Wichtig ist, wie wir unser Ziel definieren. Wenn es uns darum geht, anderen zu gefallen oder einem Ideal zu entsprechen sind wir weniger intrinsisch motiviert. Negative Motivationsfaktoren, wie z.B. zu viel Gewicht auf der Waage, oder eine Krankheit können uns kurzfristig stark motivieren. Langfristig hilft uns aber eine positive intrinsische Motivation weiter. Also z.B. anstatt, «ich will meine Kinder nicht mehr schimpfen» könnte ich sagen: «ich will meine innere Ruhe behalten, auch wenn es draussen drunter und drüber geht». Es hat sich auch gezeigt, dass unsere Willenskraft und unser Erfolg, ein Ziel zu erreichen davon abhängt wie sehr wir daran glauben, dass wir es schaffen können. «When you think about your willpower challenge, do you feel like the kind of person who can succeed – or do you feel like your need to fundamentally suppress, improve, or change who you are»? (McGonigal, 2013, S. 104). Wenn wir glauen, dass wir es schaffen können, haben wir viel höhere Erfolgschancen. «We need to feel like the person who wants to do the right thing»  (McGonigal, 2013, S. 104).

So habe ich z.B. überraschend positie Erfahrungen damit gemacht, in meine formelle Meditationspraxis Elemente der klassichen Gleichmutspraxis und der loving awareness Praxis von Ram Dass einzubauen. Wenn ich aufgewühlt bin, sei es aus persönlichen Gründen oder weil um mich mal wieder die Weltpolitik verrückst spielt  sage ich mir innerlich: «möge mein Herz ruhig bleiben, in mitten aller Dinge die geschehen, möge ich friedvoll sein und gelassen…. Ich bin liebendes Gewahrsein….»

Es hat sich ebenfalls gezeigt, dass wir Tendenz haben, unsere Willenskraft zu unterwandern, wenn wir unser Ziel sehr moralisch formulieren. Der Fachbegriff lautet «moral licencing». Sobald wir denken, ach, ich hab’s ja ganz gut gemacht, lassen wir uns gehen oder erlauben uns einen «Ausrutscher» an anderer Stelle, anstatt unser Ziel zu verfolgen «When we think abot our willpower challenges in moral terms, we get lost in self-judgement and loose sight of how those challenges will help us get what we want. (McGonigal, 2013, S. 87).

Damit einher geht auch, dass Selbstmitgefühl sehr viel wirksamer ist als Selbstkritik, um unsere langfristigen Ziele zu verfolgen. Wenn es mal wieder nicht geklappt hat, ist es wichtiger zu erkennen, was zu Stress oder Druck geführt hat, daraus eine Lehre zu ziehen und sich wieder auf sein Ziel auszurichten, anstatt Zeit und Kraft mit moralischen Vorwürfen zu verschwenden, die dann wiederum unsere Willenskraft schwächen. «Self-critizism is consistently associated with less motivation and worse self-control. It’s also the single biggest predictor of depression, which drains both «I will» and «I want» power. In contrast, self compassion – being supportive and kind to yourself, especially in the face of stress and failure – is associated with more motivation and better self-control» (…) «Surprisingly, it’s forgiveness not guilt, that increases accountability». (McGonigal, 2013, S. 148)

Da wir unsere Fähigkeiten «morgen» etwas besser zu machen tendenziell überschätzen, erlauben wir uns heute noch einen kleinen Ausrutscher und sagen uns: hey, heute noch eine Packung Eis, Chips, ein Glas Wein – oder was es eben ist, was Dich zurückhält-  und morgen wird alles besser! Hilfreicher ist die Frage: Will ich jeden Tag so handeln wie jetzt?

Anstatt uns für Rückschläge zu verurteilen, ist es ausserdem nützlich, Momente des «Versagens» einzuplanen. Was führt normalerweise dazu, dass ich aufgebe, nachgebe, einknicke? Anstatt uns dafür zu kritisieren und zu verurteilen, ist es hilfreicher, diese Muster zu erkennen, zu verstehen, was uns schwächt und uns Massnahme zu überlegen, wie wir in diesen Situationen handeln können, oder uns möglichst schnell und ohne Zeit für Selbst-Vorwürfe uns -Sabotage zu verlieren wieder rausziehen können.

Es zeigt sich immer wieder, dass das soziale Umfeld unsere Ziele unterstützen oder unterwandern kann. Oft stellt unser Verhalten die alten Muster unseres Umfelds in Frage. Das provoziert. Es ist nützlich zu wissen, wer unsere Alliierten sind, diejenigen, die uns helfen, unsere Ziele zu erreichen und uns helfen uns wieder auf den Weg zu begeben, wenn wir zurück gefallen sind. Und wer legt uns evtl. Steine in den Weg legen– ohne dass es bös gemeint ist. Wir können wir damit umgehen? Hilfe annehmen, und abgrenzen?

Jeder kennt den Witz: Denk nicht an einen rosa Elefanten. Wenn wir uns verbieten an etwas zu denken oder etwas zu tun, nimmt es besonders grosse Form an (Abneigung). «Trying to suppress thoughts, emotions, and cravings backfires and makes you more likely tot hink, feel, or do the think you most want to avoid. (McGonigal, 2013, S. 234). Wenn Du also ein Craving oder eine starke Abneigung wahrnimmst, versuche einfach «DA» zu sein und zu beobachten, ohne gleich darauf zu reagieren. Versuche dich mit dem zu verbinden, was Dir wirklich sichtig ist. Deine Gedanken, Deine Muster, Deine Cravings. Lass sie sein und versuche nicht sofort auf sie zu reagieren. Hier hilft auch wieder die Achtsamkeit. Beobachte

«Mindfulness as a meditative discipline and practice (...) to learning how we can liberate ourselves from the dominance and sometimes tyranny of our own craving mind, first and foremost by paradoxically cultivating intimacy with it. And this all hinges on recognizing over and over again how tightly bound up we are in our own seemingly endless self-referencing, and on whether we can simply be aware of it without judging ourselves harshly and can cultivate other, more intentional options for responding mindfully rather than reacting mindlessly in those moments when craving arises. Kabat Zin in (Brewer, Craving Mind, 2017, S. xv)

Es ist sehr viel einfacher etwas zu tun, als etwas nicht zu tun. Versuche Deine daher langfristige Motivation positiv zu formulieren und in Verbindung mit deiner tiefen inneren Absicht zu gehen: Welcher Mensch möchtest Du sein? Wie möchtest Du leben? Worum geht es wirklich?

Literatur:
Kelly McGonigal, The Willpower Instinct, http://kellymcgonigal.com/books

Huberman Lab: How to increase your willpower and tenacity https://www.hubermanlab.com/episode/how-to-increase-your-willpower-and-tenacity

Judson Brewer, The craving mind, https://drjud.com/read-the-craving-mind-book/